Draussen ist es noch dunkel. Mein Tag ist noch ganz jung, eine Stunde seit dem Erwachen. Es ist still im Haus.
Ich mag die Zeit wenn Nacht und Tag sich treffen. Die Träume der Nacht sind noch präsent, der kommende Tag noch verschwommen.
Ich liege bäuchlings auf meiner Yogamatte und schreibe "Morgenseiten", neben mir eine Tasse heisses Wasser mit Zitronensaft.
Die Morgenseiten sind eine wunderbare Möglichkeit, den Tag zu beginnen. Es ist eine Technik von Julia Cameron, einer bekannten amerikanischen Schreiblehrerin.
Ich praktiziere sie schon seit Jahren. Es ist ganz einfach. Ich habe mir ein schönes Tagebuch zugelegt und schreibe jeden Morgen 2-3 Seiten voll mit dem was mir gerade durch den Kopf geht, wie ich mich fühle.
Es muss keinen Sinn machen und wird auch nicht mehr gelesen. Die Morgenseiten dienen dazu, die Nacht auszuleeren, um frisch und unvoreingenommen für den Tag zu sein.
Während ich einfach losschreibe was ich sehe, fühle, höre, spüre innen und außen, was mir durch den Kopf geht an Gedanken und Emotionen, kläre ich mein Wesen.
Während meine Hand sich schreibend bewegt, fühle ich was da so in mir ist, und ich kann mir bewusst machen, wie ich heute in den Tag gehe. Friedlich oder wütend, stark oder schwach, frustriert oder freudig, müde oder inspiriert, tief oder oberflächlich. Ich bemerke dies einfach, ohne es zu bewerten, denn all das bin ich.
Das macht einen enormen Unterschied für den Tag, habe ich festgestellt! Ich bin generell bewusster und mehr bei mir; erinnere mich untertags an das morgendliche Schreiben.
Ich halte beim Schreiben kurz inne und nehme einen tiefen Atemzug, der beim Ausatmen meinen Körper entspannt. Unten im Flur steht mein Koffer. Überwiegend praktische Kleidung drin, bequeme Schuhe zum Viel-Gehen. Bücher, Schreibblöcke, Stifte. Heute werde ich über London nach New York fliegen. Ich lasse die letzten Tage in Gedanken an mir vorbeiziehen, den Oktober. Ich freue mich auf neue Eindrücke, eine neue Welt.
Weiterschreiben. Bei den Morgenseiten ist es wichtig, einfach weiterzuschreiben. Wenn nichts kommt, einfach "jetzt" schreiben oder "weiter" oder irgendein anderes beliebiges Wort, so lange bis wieder ein Satz kommt. Manchmal wundere ich mich über das was ich da schreibe, da ich es zum ersten Mal bewusst denke wenn ich es schon aufschreibe. Ich werde von mir selbst überrascht. Das geht in mir vor? Oft erkenne ich, dass ich Antworten schon weiß. Antworten auf Fragen und Zweifel die durch meinen Kopf flattern.
Die Morgenseiten sind für mich auch ein gewohntes Ritual an neuen Orten, wo alles anders ist. Ich stelle mir vor, wie ich sie in meiner Wohnung in New York schreibe. Meist verbinde ich sie mit Bewegung und Meditation zu einem schönen Wohlfühlpaket am Morgen. Also zum Beispiel 30 Minuten Yoga/Tanz, dann 15 Minuten bewusstes Atmen, dann 20 Minuten Morgenseiten schreiben. Die Bewegung bringt den Körper in Gang, löst Blockaden. Das Atmen macht mich tief und sanft. Und beim Schreiben kann dann alles herausfließen, was ich nicht mehr brauche, oder Erkenntnisse die wertvoll sind. Das ist purer Genuss, und wenn ich hinaus in die Welt trete, bin ich ganz bei mir.
Natürlich kann man die Morgenseiten auch am Mittag oder Abend schreiben, wenn morgens keine Zeit ist. Es ist eine Entscheidung innezuhalten, sich nach innen zu wenden und zu formulieren was da ist, ohne Bewertung. Morgens ist ideal, weil der Kopf von den ganzen Alltagsdingen noch recht leer ist. Aber Abendseiten vorm Schlafengehen haben auch eine tolle Qualität. Alles abgeben, bevor man ins Bett geht.
Wenn man damit beginnen möchte, ist es gut, es mal einen Monat jeden Tag zur gleichen Zeit durchzuziehen, damit man sich eine Gewohnheit schafft. Vielleicht willst Du es mal probieren? Nimm Dir Papier und Stift (einen mit dem Du gerne schreibst), setz Dich bequem hin, atme einige Male tief durch und wage das erste Wort. Dann das zweite, dann das dritte. Niemand wird es lesen. Beobachte, welche Gedanken kommen. Schreibe weiter. Lasse dich nicht beirren. Schau Dir mal meine Seite "Mein Schreibraum" an, da gibt es Inspirationen um ins Schreiben zu kommen.
Ich wünsche Dir in jedem Fall viel Spass wenn Du das liest, und freue mich auf Deine Kommentare. Schreibst Du? Wann? Was? Warum nicht? Hast Du Erfahrung mit den Morgenseiten oder einer anderen Schreib-Regelmässigkeit? Was hält Dich ab?
Liebe Grüsse,
Daniela
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